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Wuppertal und seine Schwebebahn

Aktualisiert: 28. Mai 2021

Im Jahr 2020 sorgte die Wuppertaler Schwebebahn, welche zuvor ein Jahrhundert lang als sicherste und zuverlässigste öffentliches Verkehrsmittel der Welt gegolten hatte, häufig für Schlagzeilen. Trotz einer seit den 1990er Jahren durchgeführten und 2014 beendeten Modernisierung wurde Mängel an der Anlage festgestellt, wobei vor allem die erst im Vorjahr neu bestellten Fahrzeuge verwickelt waren. Daher fährt die Schwebebahn aktuell (Stand Februar 2021) auf unbestimmte Zeit nur an Wochenenden. Dabei ist die Idee hinter der Wuppertaler Schwebebahn so genial, dass es verwunderlich ist, dass sie sich außerhalb von Wuppertal nie wirklich durchgesetzt hat.

Die engen und steilen Straßen in Wuppertal waren von Anfang eine Herausforderung für Stadtplaner.

Das Tal der Wupper zwischen den Städten Barmen, Elberfeld und Vohwinkel war Ende des 19. Jahrhunderts einer der ersten großen Agglomerationsräume in Deutschland. Trotz eines seinerzeit sehr gut ausgebauten Straßenbahnnetzes konnten die wachsenden Verkehrsströme in dem engen Tal zwischen den Städten nicht mehr bewältigt werden. Daher stellte sich schnell die Frage nach einer effektiven Lösung der Probleme, welche idealerweise an die Gegebenheiten angepasst wäre und dem Tal der Wupper folgen könnte. Da kam erstmals in Deutschland die Idee auf, den Verkehr in Form einer Hochbahn in eine dritte Ebene zu verlegen.

Eugen Langens Teststrecke in Köln

So entstand die Idee für eine Hochbahn entlang der Wupper. In einer ersten gemeinsamen Kommission der Städte Barmen, Elberfeld und Vohwinkel wurde über eine Hochbahn nachgedacht, die auf im Fluss gegründeten Stützen verlaufen sollte. Zunächst kam es allerdings zu Verzögerungen, da es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie eine vergleichbare Hochbahn gegeben hatte. Und an dieser Stelle kam Anfang der 1890er der Ingenieur Eugen Lange auf die Idee einer Schwebebahn. Bereits 1893 konnte er die Stadträte in Barmen und Elberfeld von dem Konzept überzogen. 1894 wurde seitens Barmen und Elberfeld der Bau offiziell beschlossen, 1895 schloss sich Vohwinkel ebenfalls an. Die „Schwebebahn Barmen-Eberfeld-Vohwinkel“, welche nach dem Zusammenschluss der drei Städte 1929 zur neuen Großstadt Wuppertal offiziell den Namen „Wuppertaler Schwebebahn“ trägt, war geboren.


Beim Bau entschied man sich jedoch gegen eine Errichtung Stüztstreben, die jeweils an den beiden Ufern der Wupper angelegt waren. Da die Wupper seinerzeit noch recht „unreguliert“ floss, muss beim Bau darauf geachtet werden, dass dies ausschließlich bei Niedrigwasser geschah. Auf der Landstrecke in Vohwinkel wurde die Stützpfeiler direkt am Straßenrand montiert.

Noch während der Bauphase besuchte Kaiser Wilhelm II die Stadt und fuhr selbst mit der Schwebebahn. Für diesen Zweck wurde der noch heute für besondere Anlässe und Sonderfahrten betriebsfähige Kaiserwagen erstellt.

Als erster Abschnitt entstand bereits um 1900 der Abschnitt Zoologischer Garten – Westende, auf dem zunächst nur Probefahrten stattfanden. Am 1. März 1901 wurde der Abschnitt Zoologischer Garten – Kluse eröffnet, der von nun an für die Öffentlichkeit zugänglich war. Am ersten Tag wurde der zunächst zehnminütige Takt bereits auf einem Fünf-Minuten-Takt umgestellt, da dank der Begeisterung das Fahrgastaufkommen so hoch war. Am 27. Juni 1903 wurde die Strecke erstmals durchgehend befahren.


Trotz schwerer Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg im Mai und Juni 1943 konnte bereits Ende im Dezember 1944 der Verkehrs wieder aufgenommen werden. Obzwar es im Januar 1944 erneut zu schweren Beschädigungen kam, wurde der Gesamtbetrieb zwischen Mai 1945 und April 1946 durchgehend wieder aufgenommen. Eine weitere große Veränderung war die Errichtung des zwei Meter hohen Stützbauwerks am Sonnenborner Kreuz zwischen 1968 und 1974, wo die Schwebebahn auf einer Länge 485 Metern eines der größten und wichtigsten deutschen Autobahnkreuze überquert. Noch bis 1987 diente übrigens die historische Wuppertaler Schwebebahn als Ergänzung, aber dann wurde diese in einer Zeit, wo andernorts bereits die Renaissance der Straßenbahn begann, stillgelegt; heute wird dies vielfach als Fehler angesehen und über Wiedererrichtung einer Stadtbahn ergänzend zur Schwebebahn nachgedacht.

Die Wuppertaler Schwebebahn hat so wenig Tote zu beklagen wie kein anderes Verkehrsmittel.

Die Wuppertaler Schwebebahn war zwischen 1901 und 2021 nur in etwa ein Dutzend Unfälle verwickelt, von denen mehr als die Hälfte zwischen 2008 und 2018 stattfand. Dadurch wurde der Ruf der Wuppertaler Schwebebahn, die zwischen 1901 und 1998 in 97Jahren keinen Unfall mit Todesfolge zu verzeichnen hatte, als sicherstes Verkehrsmittel der Welt stark geschädigt.

Der einzige Unfall mit Todesfolge fand 1999 statt, als am 12. April ein Triebwagen in die Wupper stürzte. Dabei starben fünf der Fahrgäste an Bord. Als Unfallursache wird eine fälschlicherweise nicht demontierte Montagekralle für Bauarbeiten am Vortag nicht entfernt.

Hier stürzte Tuffi am 21. Juli 1950 in die Wupper.

Berühmt wurde vor allem der „Unfall“ am 21. Juli 1950. Zu Werbezwecken fuhr ein Schausteller des Zirkus Althoff zusammen mit seinem Elefanten Tuffi in der Bahn mit. Zwischen Rathausbrücke und Adlerbrücke durchstieß das durch die Fahrtgeräusche und Enge des Fahrzeugs nervös gewordene Tiere jedoch die Tür des Zuges und stürzte in die Wupper. Der Elefant wurde wie die Fahrgäste in seiner Nähe jedoch nur leicht verletzt.


Noch heute nennt sich die Wuppertaler Milchfabrik nach dem Elefanten „Tuffi“. Übrigens sind sämtliche Bilder des Vorfalls Fotomontagen, denn seinerzeit befand sich kein Fotograf zufälligerweise am Ufer.

Anfang des 20. Jahrhundert galt die Schwebebahn als Synonym für Fortschritt, wie diese Zeichnung zeigt.

Besonders in Deutschland galt die Schwebebahn als Synonym für Fortschritt und futuristische Stadtplanung. Daher gibt es diverse Pläne für Schwebebahnsystem in anderen deutschen Städten wie Berlin, Hamburg und Städte in den deutschen Kolonien sowie auch für London, die allerdings nie realisiert worden.


Tatsächlich ist die Wuppertal aber nicht die einzige als Hängebahn auf der Welt, obgleich es sich um das einzige Verkehrsmittel dieser Art handelt. So ist zum Beispiel die Schwebebahn Dresden auch nach dem System von Wuppertal errichtet worden, obschon sie ein wenig anders konzipiert wurde, da sie gleichzeitig als Standseilbahn konzipiert ist, da sie eine Steigung bewältigen muss. Weitere Beispiele für Hängebahnen findet man in Dortmund, Düsseldorf, Kamakura und Memphis. Dabei betreibt Wuppertal sei Sommer 2018 eine Partnerschaft mit der Shonan Monorail in Kamakura.

Sollte die Schwebebahn nicht zum Weltkulturerbe erklärt werden?

Die Wuppertaler Schwebebahn wurde im Laufe der Jahre nicht nur zum Wahrzeichen von Wuppertal, sondern trug auch erheblich zur Indentifikation der Bewohner mit ihrer aus mehreren Ortskernen gewachsenen Großstadt bei. So ist sie heute Teil des Stadtlogos, das eine stilisierte kleine Schwebebahn und den zum W stilisierten Fluss Wupper umfasst. Zudem werden vor allen in Wuppertal Haribo-Gummibärchen in Schwebebahnform, die „Schwebis“ vertrieben.


Aber überregional ist die Wuppertaler Schwebebahn sehr populär. So wurde bei einer nicht repräsentativen ZDF-Umfrage 2006 auf Platz 6 der Lieblingsorte der Deutschen gewählt. Ferner gibt es einen Schwebebahn-Simulator und einen Schwebeban-Emoji.

Typisch für Wuppertal ist auch die Oskar-Hoffmann-Treppe
Kulisse: Wohnung der Bohnsacks

Wuppertal hat übrigens viel mehr zu bieten als die Schwebebahn. Wuppertal zählt nämlich durch seine durch klassizistische Bauten geprägte Kulisse und den steilen Straßen zu den schönsten Städten in Deutschland (siehe einleitendes Bild). Daher gibt es auch sehr viele Treppen im Stadtbild wie die Oskar-Hoffman-Treppe. Beeindruckend sind auch die historischen Zentren von Wuppertal, insbesondere Barmen und Elberfeld mit ihren beiden historischen Rathäusern.


Ferner gilt Wuppertal als eine der grünsten deutschen Städte im Hinblick auf die Stadtbegrünung. Aufgrund seines beeindruckenden Stadt- und Straßenbildes wurde es auch schon oft als Filmkulisse ausgewählt: So spielten z.B. das beliebte Roadmovie "Manta, Manta" oder die Serie "Der kleine Vampir - Neue Abenteuer" (siehe rechts) teilweise in Wuppertal, und im Film "King Ping - Tippen Tappen Tönchen" wird sogar im Filmtitel auf die gleichnamige Treppe in Wuppertal Bezug genommen; für die Serie "Babylon Berlin" wurde in der Villa Amalia gedreht. Insgesamt wurden über 60 Filme ganz oder teilweise in Wuppertal geprägt. Dabei ist jedoch nicht immer Wuppertal der Handlungsort. Darüber hinaus handeln auch preisgekrönte Dokumentarfilme von Wuppertal.

Geburtshaus von Friedrich Engels

Wuppertal gilt aber auch als eine der ältesten deutschen Industriestandorte. Schon Anfang des 19. Jahrhundert entwickelte sich hier ein Zentrum der Chemie - und Textilindustrie. Viele bekannte deutsche Firmen haben daher auch ihren Ursprung in Wuppertal; dazu zählt auch das Chemie- und Pharmaunternehmen Bayern, das erst Anfang des 20. Jahrhunderts an die Wuppermündung bei Leverkusen umzog. Leverkusen wurde übrigens seinerzeit extra für den neuen Firmensitz als Werkssiedlung gegründet. Im Bayerwerk in Wuppertal wird bis heute produziert, und man kann mit der Wuppertaler Schwebebahn direkt vorbeifahren.


Eine weitere bekannte Firma aus Wuppertal ist Vorwerk. Diese Firma vertrieb zunächst Teppiche, Grammophone und Webstühle. Als in den 1920er Jahren zu einem Einbruch bei der Popularität von Grammophonen kam, entwickelte Engelbert Gorissen, der für Vorwerk tätig war, auf Basis eines Grammophons einen der ersten professionellen Staubsauger. Noch heute basiert der "Kobold" auf dieser Technik. Vorwerk-Staubsauger entwickelten sich schon seinerzeit zum Verkaufsschlager. In der Nähe der Vorwerk-Zentrale befindet sich auch der Sitz der Barmer Ersatzkasse GEK, die ihren Namen von der Stadt Barmen ableitet; die "Barmer" ist heute ein der größten deutschen Krankenkassen.


Übrigens ist es daher auch kein Zufall, dass Friedrich Engels, der in 1820 in Barmen geboren wurde, zu einem der ersten Kritiker des konsumistischen Kapitalismus wurde. Von Kind auf war mit den Problemen der Arbeiterfamilien geprägt. Ob seine Thesen für eine sozialistische Planwirtschaft, die er zusammen mit Karl Marx aus Trier entwickelte, jedoch eine angemessene Lösung für die Probleme sind, ist ein Thema für einen anderen Blog.

Weiterführende Links

* Wikipedia-Artikel über Schwebebahn, Vorwerk und Wuppertal

* Mein Videos über die Schwebebahn und über die Sehenswürdigkeiten von Wuppertal

* Drehorte aus der "Der kleine Vampir - Neue Abenteuer"


 
 
 

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