top of page

Saar-Pfalz-Kanal

Aktualisiert: 22. Apr. 2021

Besonders in der Zeit vor der Massenmotorisierung wurden viele Schifffahrtskanäle geplant, da das Schiff neben der Eisenbahn lange Zeit das einzige Transportmittel für schwere Lasten war. So entstandenen wichtige Kanäle wie Mittellandkanal und Main-Donau-Kanal sowie die weit verzweigten Kanalnetze in Frankreich, Belgien und Niederlande. Einige dieser Kanalprojekte wie der Saale-Leipzig-Kanal wurden fast vollständig fertiggestellt, aber dann aus finanziellen Gründen abgebrochen. Manche Kanäle kamen aber nie über den Planungsprozess hinaus, z.B. der Saar-Pfalz-Kanal. Doch bis heute kommt das Projekt des Saar-Pfalz-Kanals insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung des Schiffs als nachhaltige und den Verkehr entlastende Alternative immer wieder ins Gespräch.

Rhein-Main-Donau-Kanal in Bamberg: So ähnlich hätte der Saar-Pfalz-Kanal im Stadtbild Kaiserslautern ausgesehen

Bereits im 18. Jahrhundert gab es Pläne, einen Kanal vom Rhein an die Saar zu bauen. Dieser Kanal sollte vor allem dem Verlauf der Flüsse Queich und Blies folgen. Allerdings ist unklar, wie genau der Pfälzerwald und das Westricher Bergland hätten überwunden werden sollen. Die Pläne wurden nämlich durch die Französische Revolution vereitelt, obwohl bereits einige, heute nicht mehr sichtbare Vorarbeiten stattgefunden hatten.


Das Projekt wurde bereits Ende des 19. Jahrhundert jedoch wieder aufgegriffen. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Saarlandes und der Westpfalz als Zentrum der süddeutschen Eisenindustrie sowie einer der wichtigsten Zentren zum Abbau von Kohle neben dem Ruhrgebiet im Zuge der Industrialisierung stieg nämlich das Interesse für eine schnelle Alternative zur Eisenbahn. Eine große Rolle spielt auch, dass eine durchgängige Bahnverbindung vom Saargebiet in in die Rheinpfalz bei Ludwigshafen in der heutigen Form nur in Teilen vorhanden war. Insbesondere die Gebrüder Stumm, deren Nachfahren bis heute die letzten Montanwerke im Saargebiet betreiben, äußerten den Wunsch nach einem Schifffahrtsweg vom Saargebiet durch die Pfalz an den Rhein.

Geplanter Verlauf (Quelle: Catalunyaesunanacio, Wikipedia)

Als nach dem Ersten Weltkrieg die Forderungen immer deutlicher wurden, wurde im Oktober 1926 schließlich eine erste „Kanalversammlung“ einberufen, die mit einer Denkschrift abgeschlossen wurde, die im Februar 1927 an das Reichsverkehrsministerium weitergeleitet wurde. Das Reichsverkehrsministerium befürwortete die Pläne, sodass 1936 in Mannheim der Saarpfalz-Rheinkanal-Verein gegründet wurde, der sich des Projektes annehmen sollte.

Der Kanal sollte im Saarbrücker Osthafen beginnen und von dort südlich an St. Ingbert vorbei und nördlich an Homburg vorbei nach Kaiserslautern führen. Nördlich von Kaiserslautern sollte er unter anderem durch das heutige Waschmühltal verlaufen, um dann südlich des Donnersberges zwischen Enkenbach entlang zu führen; hier bei Enkenbach sollte der Scheitelpunkt entstehen. Bei Ramsen sollte der Kanal auf den Eisbach treffen und dessen Bett ganz oder teilweise folgen, sodass er zwischen Worms und Frankenthal den Rhein erreicht hätte.


Es standen zwei Trassen im Gespräch, die sich besonders in der Umgebung von Kaiserslautern sowie dem Verlauf in der Vorderpfalz erheblich unterschieden. Von einer politischen Koalition um Franz-Josef Röder (saarländischer Präsident), Peter Altmeier (rheinland-pfälzischer Ministerpräsident) und Helmut Kohl wurde in den 1960er Jahren vor allem die Nordvariante vorangetrieben. Insgesamt wäre der Kanal 127 km (Südtrasse) oder 230 km (Nordtrasse) lang gewesen.

Kanalaufzug bei Falikirk, Schottland: Hätte es so in Kerzenheim ausgesehen?

Im Jahrbuch des Kreises Kaiserslautern von 2021 wird berichtet, dass statt diversen Schleusen zur Überwindung des Pfälzerwaldes und des Westricher Berglandes zuletzt bei Kerzenheim bei Eisenberg (Pfalz) eine Schrägaufzuganlage geplant gewesen wäre. Dadurch wäre der Kanal auf einer Länge von fast 100 km nahezu planeben verlaufen. Es wären von hier in beiden Richtungen nahezu keinen weitere Schleusenbauwerke nötig geworden. Obzwar dies den Schifffahrtsverkehr erleichtert hätte, wäre der Betrieb einer solchen Anlage jedoch sehr umständlich gewesen.


Darüber hinaus hätte viele kleine Gemeinden wie Katzenbach eine kleine Schiffsanlegestelle bekommen. Für die gesamte Region Kaiserslautern hätten sich zudem diverse touristische Potentiale durch den Kanal ergeben. Auch die Gemeinde Hütschenhausen erhoffte sich seinerzeit Vorteile für den Tourismus, obschon viele Feldwege im Gemeindegebiet durch den Kanal getrennt worden wären.

Wie der Main-Donau-Kanal sollte sich der Saar-Pfalz-Kanal in die Landschaft einfügen (Q: Wollkenkratzer, Wikipedia)

Im Exposé hieß es: „Bei Festlegung der Linienführung legt das Reichswasserstraßenamt besonderen Wert darauf, die Kanaltrasse der Landschaft harmonisch einzufügen und nirgends organisch Gewachsenes und Zusammengehöriges zu zerstören.“ Der Kanal wäre also sicher ein schöner Anblick gewesen und hätte in der Pfalz einen besseren Anblick wie Bundesautobahn A6 geboten. Ob die Planungen sehr weit fortgeschritten waren und sich heute zum Teil noch nachrichtlich in einigen Flächennutzungsplänen der Region befinden, wurde der Kanal dennoch nie gebaut. Warum?

Für die nie erfolgte Realisierung des Projektes gibt es mehrere Gründe. Zum einen änderten sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs die administrativen Grenzen schlagartig: Das Saargebiet wurde von Frankreich annektiert, sodass es zumindest bis 1948 auch zu einer Bausperre im Saargebiet kam. Zweitens wäre der Saar-Pfalz-Kanal aufgrund der Überwindung des Pfälzerwaldes zwischen Landstuhl und Ramsen das bis dato aufwendigste derartige Bauprojekt geworden, sodass die Kosten bis heute nur schwer abschätzbar sind.


Damals ging man von mindestens 126 Mio. DM reinen Baukosten aus, jedoch hätten Kosten für den Grunderwerb und die anbindende Infrastruktur noch mal mindestens genauso viel gekostet; so berichtet das Jahrbuch 2021 des Landkreises Kaiserslautern sogar von einer Startsumme von 1,55 Milliarden DM. Umgerechnet würde das Projekte heute wahrscheinlich in die Milliarden gehen. Der Saar-Pfalz-Kanal wäre folglich eines der teuersten und größten deutschen Bauprojekte aller Zeiten geworden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die horrenden Kosten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Kanals nach seiner Vollendung überhaupt gerechtfertigt gewesen wären.


Und zu guter Letzt gab die zunehmende Massenmotorisierung und der Bau der Bundesautobahn A6, die heute zum Teil dem geplanten Verlauf folgt, dem Projekt wahrscheinlich seines Todesstoß, da der Kanal spätestens jetzt in summa nicht mehr lukrativ erschien. Außerdem soll auch die Deutsche Bundesbahn, deren Nachfolger Deutsche Bahn AG bis heute von der Bahnstrecke von Mannheim nach Saarbrücken enorm profitiert, mit Gründung des Unternehmens Als-ob-Tarife gezielt den Kanalbau verhindert haben, in dem Zugverkehre so günstig angeboten wurden, als gäbe es bereits den Kanal.

Saarkanal bei Kanzem

Statt dem Saar-Pfalz-Kanal entstand in den 1970er Jahren schließlich der Saarkanal zwischen Saarbrücken und Konz, der weitgehend dem Verlauf des Flusses Saar folgt. Nur zwischen Schoden und Kanzem entstand dabei ein vollständig neu gebauter Kanalabschnitt, um den aus Gründen des Naturschutzes und seiner Geologie besonders wertvollen Wiltinger Bogen abzukürzen und zu schützen.

Aus ökologischer Sicht ist der Saarkanal jedoch bis heute umstritten. Obzwar anders als bei anderen mäandrierenden Flüssen durch die Kanalisierung der Flusslauf im Falle des Saarkanal weitgehend beibehalten wurde, wirken sich vor allem die vielen Staustufen und das teilweise betonierte Flussbett negativ auf die Umwelt aus. Tatsächlich sind künstliche Wasserstraßen in diesem besser für die Umwelt als eine Regulierung von Flüssen.

Kanalbrücke bei Digoin: Hätte so eine Brücke über die Blies bei Homburg augesehen?

Insbesondere in Frankreich kann man dies sehr gut erkennen. Da vor allem in Süddeutschland Flüsse reguliert und kanalisiert wurden, sind hierzulande viele Ökosystem nahezu irreversibel zerstört, die in Frankreich noch intakt sind. Flüsse wie Rhein, Mosel oder Saar dürften noch vor wenigen Jahrzehnten ähnlich wild geflossen sein wie viele französische Flüsse wie die Loire.

In Frankreich wurden im 19. Jahrhundert nämlich diverse Kanalprojekte umgesetzt. Obschon viele dieser Kanäle für den modernen Schiffsverkehr heute untauglich sind, hat dies einige Flüsse vor ökologischen Schäden bewahrt. Ähnlich hätte sicherlich auch die Saar durch den Bau eines Saar-Pfalz-Kanals bewahrt werden können, insbesondere wenn man bedenkt, welch ambitioniertes Ziel im Exposé formuliert wurde (siehe oben).

Kanal in Uruguay: Sähe heute so der Saar-Pfalz-Kanal aus?

Manchen Quellen zufolge hätten die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland spätestens in den 1970er Jahren die Kosten tragen können. Dennoch wurde die Pläne seinerzeit im Rahmen der Ölkrise nur theoretisch wieder aufgegriffen, aber praktisch nie umgesetzt, denn, wie oben bereits geschildert, das Bundeskabinett entschied trotz großer Kritik für den Ausbau der Saar.


Seitdem gilt das Projekt offiziell als begraben. Eine Umsetzung des Projektes ist dadurch aber dennoch nicht ausgeschlossen. Im Rahmen der Verkehrswende könnte es heute eine sinnvolle Entlastung der Autobahnen und der Bahnstrecke darstellen. Dennoch stellt sich die Frage, ob heute eine bessere Wirtschaftlichkeit als in jener Zeit gegeben ist, als das Saarland noch eine der wichtigsten deutschen Industrieregionen war.


Weiterführende Links und Literatur:

* Mein Video zum Thema auf YouTube

* Walter Herweck: Der Saar-Pfalz-Kanal und seine wirtschaftliche Bedeutung für das Saargebiet. Dissertation. Frankfurt, 1928.

* Paul Juncker: Der Saar-Pfalz-Kanal in: Jahrbuch 2021, Kreis Kaiserslautern, 2020 (S. 108 f.)

* Dr. Karlheinz Rothenberger: Der Saar-Pfalz-Rhein-Kanal. Geschichte eines gescheiterten Großschifffahrts-Projekts: 1888-1973, Kaiserslautern, 2018.


 
 
 

Opmerkingen


Beitrag: Blog2_Post

©2019 by Reisender Raumplaner. Proudly created with Wix.com

bottom of page