Windkraft – Fluch oder Segen?
- Leif von Speyer
- 10. Feb. 2021
- 7 Min. Lesezeit
Windkraft – oder in der Fachsprache „Windenergie“ – ist die großtechnische Nutzung des Winds als Energiequelle. Windkraft ist seit dem Altertum bekannt, also keine Erfindung der Neuzeit. Obwohl Windräder und Windmühle schon seit Jahrtausenden präsent sind, werden sie erst seit wenigen Jahrzehnten auch zur Erzeugung von Elektrizität eingesetzt. In vielen Teilen Europas sind sie noch typisches Element der Landschaft, aber in vielen Teilen Deutschlands sind sie trotz historischer Präsenz verschwunden. Dank der Bedeutung für die Energiewende werden sie in Form moderner Windräder aber auch wieder in Mitteleuropa präsenter. Seither stehen Windräder allerdings immer wieder in der Kritik. Aber ist das wirklich berechtigt?

Wann tatsächlich die ersten Windmühlen gebaut wurden, ist heute umstritten. Allerdings sind die ältesten Zeugnisse von Windmühlen über 4.000 Jahre alt; eine der ersten Erwähnungen von Windmühlen findet sich z.B. im Codex Hammurabi, dem ältesten überlieferten Gesetzestext der Menschheit. Die ältesten Windmühlen in Deutschland stammen aus dem 9. Jahrhundert nach Christus.

Bereits im 19. Jahrhundert existierten in Europa über 100.000 Windräder, von denen leider nur wenige noch museal erhalten sind. Allein in den Anrainerstaaten an der Nordsee waren es rund 30.000, davon fast ein Drittel in den Niederlanden! Im Zuge der Industrialisierung stieg die Zahl der Windmühlen im 19. Jahrhundert rapide an und erreichte in den 1880er Jahre zumindest in Deutschland ihr Maximum; um 1895 gab es dort rund 18.000 Windmühlen!
Früher wurde Windenergie allerdings hauptsächlich lokal am Ort der Erzeugung genutzt. So wird in der Niederlande seit Jahrhunderten mittels Windkraft das Wasser auf dem Boden gepumpt, um in dem Marschland an der Nordseeküste Landwirtschaft und das Errichten von Bauwerken möglich zu machen. Zudem wurden auf der ganzen Welt Windmühlen schon sehr früh für den Antrieb von Mahlsteinen verwendet, um Korn zu Mehl zu mahlen. Mancherorts wurden mit Windmühlen auch Sägewerke angetrieben.

Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts werden Windmühlen auch zur Erzeugung von elektrischem Strom eingesetzt. Da die Effizienz anfangs im Vergleich zu Kohle- und Erdölverbrennung aber sehr gering war, blieb es bis in die Nachkriegszeit nur bei sehr wenigen Windrädern, die elektrischen Strom erzeugten. Erst durch die Ölkrisen in den 1970er Jahren gewann die Windkraft zunehmend an Bedeutung, da nun konsequent nach Alternativen zur Abhängigkeiten der endlichen Erdölressourcen gesucht wurde. Da Mitte des 19. Jahrhundert der Markt für Windräder aber eingebrochen war, musste quasi von Null an begonnen werden und die alte Technologie konnte zunächst nur sehr langsam weiterentwickelt werden.
Inzwischen gewinnt Windkraft aber wieder zunehmend an Bedeutung, sodass entsprechend immens in die Forschung zur Verbesserung sowie Weiterentwicklung investiert wird. Da Wind bekanntlich eine erneuerbare und nahezu dauerhaft vorhandene Ressource ist, lässt er sich effizienter und klimaneutraler nutzen als Kohle und Erdöl. Insbesondere im Hinblick auf Klimaschutz ist die Wiedererrichtung von Windrädern daher unabdingbar.

Leider kommen im Zusammenhang mit Windkraft aber auch immer wieder kritische Stimmen auf. Einigen dieser Stimmen sollte man durchaus Aufmerksamkeit schenken, andere lassen sich jedoch auch leicht widerlegen. Im Folgenden möchte ich daher gängige Argumente gegen Windkraft darstellen und analysieren:
Windenergie kann nicht den ganzen Strombedarf decken, da es nicht durchgängig windig genug ist, um ausreichend Energie bereitzustellen. Es gibt dadurch eine große Diskrepanz in der Nennleistung, da diese sehr wetterabhängig ist. Zudem sind Wetter und Windhöffigkeit in Deutschland nicht überall gleich, wodurch Abhängigkeiten zwischen den Regionen entstehen könnten.
Windkraft wird zudem vielfach als nicht wirtschaftlich angesehen, da die Neuerrichtung der Anlagen im Hinblick auf die eben erwähnte geringe Bereitstellungssicherheit zu kostspielig ist. Zudem ist noch viel Forschung nötig, um die Effizienz zu steigern, und diese wird ebenfalls Geld kosten.
Ein weiteres großes Problem ist, dass sich Wind im Gegensatz zu Kohle und Erdöl nicht oder nur sehr schlecht speichern lässt. Wind, der nicht sofort genutzt wird, kann nur sehr aufwändig für andere Zeiten mit weniger Wind gespeichert werden. Ein Transport via Pipeline ist zudem unmöglich.
Außerdem stören Windräder das Landschaftsbild. Viele weite Ebenen werden durch die hohen Masten der Anlagen zugestellt. Dadurch werden schöne Aussichten zerstört. Daneben werfen die oft hohen Windkrafttürme große Schatten, wodurch Häuser und Grundstücke weniger Sonne abbekommen.

Ferner führen Windräder regelmäßig zu Vogelsterben. Vögel können die schnell bewegenden Rotorblätter nicht sehen und fliegen gegen die Windräder. An dieser Stelle sollte aber darauf hingewiesen werden, dass jährlich mehr Vögel durch Glasscheiben oder den Autoverkehr getötet werden als durch Windräder.
Zudem erzeugen Windräder Infraschall. Dies sind Geräusche außerhalb der Hörweite von Menschen, die aber für die Kommunikation und Fortbewegung vieler Tiere wie Vögel und Fledermäuse enorm wichtig sind. Durch die Verwirrung können sich diese Tiere verirren und finden sodann ihre Schlafplätze oder Nahrung nicht mehr. Einige Studien zufolge hat der Infraschall auch kanzerogene Auswirkungen auf den menschlichen Körper.
Außerdem stellt der Eisabwurf ein großes Problem dar. Abgesehen davon, dass eine Vereisung der Rotoren die Effizienz von Windrädern erheblich beeinflussen kann, kann es vorkommen, dass sich lösende Eiszapfen meterweit bewegen können und quasi zu tödlichen Geschossen werden. Allerdings ist anzumerken, dass eine ähnliche Gefahr durch Lawinen und Eisabwurf auch von Häusern oder Kraftfahrzeugen ausgeht; sogar in der Natur selbst kann es zu solchen Katastrophen kommen. Zudem wird durch Vorsichtschilder meist ausführlich auf diese unvermeidbare Gefahr hingewiesen.

Obzwar Windräder die Sicht in die Landschaft scheinbar beeinträchtigen, wirken sie eher wie eine Aneinanderreihung von künstlichen Bäumen als wie große landschaftszerstörende Bauwerke. Zudem werden keine Emissionen erzeugt, sodass weder Luft noch Sicht durch Rauchwolken beeinträchtigt sind. In diesem Zusammenhang sollte man auch bedenken, dass wir den Anblick von vielen Windmühlen heute nicht mehr gewöhnt sind, während er wie zu Beginn beschrieben, ja im 19. Jahrhundert noch völlig normal war.
Außerdem entstehen keine radioaktiven Abfälle wie in der Atomkraft. Bei einem Unfall an einer Windkraftanlage kommt es ergo nicht zu einem Supergau, der eine ganze Region unbewohnbar macht. Zwar kommt es gelegentlich zu Bränden an Windrädern, doch lassen sich diese hinsichtlich ihrer Folgen mit Katastrophen in anderen Kraftwerken nicht vergleichen, denn auch bei Kohlekraftwerken und Wasserkraftwerken sind die Folge oft sehr viel weitreichender und kostspieliger als bei Windrädern.
Windkraft kann zudem direkt vor Ort produziert werden. Die Industrie kann so wie früher ihre Energie theoretisch selbst produzieren, sodass Energietransporte überflüssig sind. Dadurch wird Platz und Geld für die Errichtung von Infrastruktur für Energietransporte gespart. Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass in vielen Teilen Deutschlands der vorhandene Wind meistens ausreicht, um genug Windenergie zu erzeugen, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass wir ohnehin lernen sollten, Energie zu sparen. Daher ist es wichtig, die Windhöffigkeit in einer Region unbedingt in die Planung miteinbeziehen.
Darüber hinaus sollte betont werden, dass Windräder im Gegensatz zu vielen anderen Kraftwerken sehr platzsparend sind und sich effizient in der Landschaft verteilen lassen: Während klassische Kraftwerke nämlich oft einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, bedürfen Windräder nur einer vergleichsweise geringen Flächenversiegelung; dies kann im folgenden Video (Quelle: Pixabay) sehr gut erkennen:
Darüber hinaus können sie durch verschiedene optische Markierungen für Mensch und Tier sichtbar gemacht werden. Insbesondere Lichter oder farbliche Markierungen werden dazu übrigens vielerorts bereits eingesetzt, wobei stets neue Methoden erprobt werden, sodass Windräder stetig weiterentwickelt werden.

Außerdem entstehen durch Windnutzung auch neue Arbeitsplätze, denn es ist werden Leute für die Herstellung, Wartung und Weiterentwicklung von Windenergieanlagen benötigt. Obschon durch den Wechsel von der Kohlekraft zur Windenergie Arbeitsplätze verloren gehen, werden zeitgleich mindestens genauso viele Arbeitsplätze geschaffen. Diese entstehen freilich auch im Rahmen von Programmen zur Umschulung und zur Förderung von Knowhow. Schon jetzt beschäftigt die Windkradftindustrie über 70.000 Menschen in ganz Europa!

Ein weiterer Faktor, der übrigens sehr oft unbeachtet bleibt, zumal er erst durch neuere Studien bestätigt wurde, ist die Tatsache, dass Windräder als Sturmschutz fungieren können. Wenn man die Windräder frühzeitig aus der Richtung dreht, aus welcher der Sturm weht, können sie nicht nur schadenfrei weiterlaufen und effizient Energie erzeugen, sondern die Stärke des Sturms auch abbremsen. Gerade Offshore-Windparks könnten hier dabei helfen Hurrikane, Orkane und Medikane abzumildern und die Küsten entsprechend vor Verwüstungen schonen. Dies würde umso effizienter, wenn die Zahl der Windräder in Küstenbereichen rapide zunehmen würde.
Zusammenfassend überwiegen also die Vorteile gegenüber den Nachteilen, insbesondere im Hinblick auf die Umweltverschmutzung sowie den dringend notwendigen Umwelt- und Klimaschutz. Wie vorhin schon geschildert, lassen sich zu dem viele der Nachteile durch Verbesserung der Bauformen und eine effizientere Gestaltung der Anlagen abwägen. Ferner sind manche Nachteile auch buchstäblich an den Haaren herbeigezogen, dass sie Aspekte und Gefahren desaströser darstellen als sie sind.
So können die Lärmemissionen erheblich durch entsprechende Schallschutzmanßanehmen direkt an den Windrädern oder die Ergänzung um einen vierten Flügel reduziert werden. Auch das Vogelsterben kann laut einer neuen Studie aus Norwegen durch Schwarzfärbung eines vermindert werden, da ein solcher besser von den Tieren wahrgenommen werden kann. Hinsichtlich von der Tötung von Vögel und anderen Tieren ist zudem zu beachten, dass Windräder allzu häufig zu nah an Vogel- und Naturschutzgebieten errichtet werden.
Obzwar Windräder gut für das Klima sind, sollte dennoch immer auch beachten werden, dass bei der Standortwahl der Tierschutz ebenfalls Priorität haben sollte. In diesem Zusammenhang sollte auch beachtet werden, dass die Errichtung von Windkraftanlagen in Waldgebieten vermieden werden sollte. Wald sollte weder für Kohle noch für Windkraft abgeholzt werden.

Zudem wird häufig ein wichtiger Aspekt vergessen: die Windhöffigkeit. Als windhöffig bezeichnet man im Fachjargon diejenigen Standorte, die sich aufgrund ihrer Windstärke und Windhäufigkeit besonders gut für die Errichtung von Windrädern eignen. Leider spielt nämlich sehr oft der Ruf einer Gemeinde als grüne Gemeinde eine größere Rolle als deren Windhöffigkeit. Dabei sollte ein Windpark ausschließlich dort errichtet werden, wo die Windhöffigkeit zumindest regional überdurchschnittlich gut ist. Ein Windrad in einer nicht-windhöffigen Region zu errichten ist genauso unsinnig, wie ein Bergwerk für Kohle dort zu bauen, wo es gar keine ausreichende Kohle gibt.
Ein ganz wichtiger Punkt ist es, die Speichermöglichkeiten von Windkraft auszubauen. Insbesondere zum Antrieb von Elektrolyse-Anlagen zur Wasserstoffanreicherung könnte Windkraft hier eine Rolle spielen, wodurch überschüssige Energie dann anderweitig genutzt wird. Zudem könnten Windräder auch zum Antrieb von Pumpen in Pumpspeicherkraftwerken genutzt werden, wobei die Windenergie dann quasi in Wasserenergie gespeichert wird.

Wie dem auch sei: Insgesamt sind sich die Experten einig, dass Windkraft langfristig neben Solarkraft die wichtigste Energiequelle auf dem Weg zur Klimaneutralität sein wird. Es muss aber regional entschieden, welche Form der Energieerzeugung bevorzugt wird. Die Energieversorgung der Zukunft sollte insgesamt dezentral und autark organisiert sein. Zudem sollten wir uns an die Windräder in der Landschaft gewöhnen, denn die zerschneide Wirkung vieler Straßen oder die Sichtverdeckung durch Abgase, an die wir uns leider allzu gut gewöhnt haben, sind im Hinblick auf unsere Umwelt und Gesundheit ein weitaus größeres Problem.

Zu guter Letzt möchte ich anmerken, dass ich in meiner Kindheit die Errichtung eines Windparks im Hunsrück live miterlebt habe. Dabei konnte ich bisher für den betreffenden Standort auf dem Dreikopf bisher keinen der häufig angebrachten Nachteile bestätigen. Ich hoffe daher, dass dank weiterer Forschung und Akzeptanz bald wieder die Windkraft die vorherrschende Form der Enegieerzeugung in den windhöffigen Teilen Deutschlands ist.
Weiterführende Links:
* Windlärm auf meinem YouTube-Kanal
* Windkraft – Fluch oder Segen? auf meinem YouTube-Kanal
* Windkraft im Pfälzerwald auf meinem YouTube-Kanal
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