Vergangen und fast vergessen – die Hunsrück(quer)bahn
- Leif von Speyer
- 30. Jan. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Mai 2021
Vom alten Bahnnetz durch den Hunsrück sind heute nur noch ein paar Relikte erhalten. Dabei verband die Hunsrückbahn einst Hermeskeil über Simmern mit Langenlonsheim; in Simmern befand sich ein Abzweig nach Boppard, von dem heute nur noch der Abschnitt bis Emmelshausen als steilste deutsche Eisenbahnstrecke betrieben wird. In Hermeskeil bestand Anschluss in Richtung Trier und Türkismühle; diese Hochwaldbahn genannte Strecke ist leider inzwischen abgebaut. In diesem Artikel soll es heute aber um Relikte der heute Hunsrückquerbahn genannte Strecke von Hermeskeil nach Langenlonsheim gehen, wobei ich mich allerdings auf den Abschnitt zwischen Hermeskeil und Simmern konzentrieren möchte, den ich sehr interessant finde, obschon ich ihn in der hier geschilderten Form nie abgewandert bin. Von der Ruwertalbahn wird ein anderer Artikel handeln.

Dass der Bahnhof Hermeskeil noch vor rund 40 Jahren eine der wichtigsten Knotenbahnhöfe der Region Trier war, mag heute keiner mehr glauben. An diese Zeit erinnern heute fast nichts mehr. Nur im Dampflokmuseum stehen noch einige der Lokomotiven, welche einst auf der Strecke verkehrten. Eröffnet wurde der Bahnhof Hermeskeil am 15. Augst 1889 als vorläufiger Endbahnhof der aus Trier kommenden Hochwaldbahn, die bis hier auch Ruwertalbahn genannt wurde, da sie ab Reinsfeld (nächster Bahnhof) dem Tal der Ruwer bis zur deren Mündung in die Mosel bei Trier folgt.

Am 1. Oktober 1903 führte nun auch die zeitgleich begonnenen Bahnstrecke der damals Hunsrückbahn genannten aus Simmern kommenden Bahnstrecke in den Bahnhof ein, womit der Zug zum Trennungsbahnhof wurde. Während die Gleise der Hochwaldbahn inzwischen komplett abgebaut wurden, führen die Gleise dieser Bahnstrecke bis heute aus dem Bahnhof heraus Richtung Norden. Diesem Gleis werden wir nun bis Simmern folgen.
Seit diese Bahnstrecke in den 1990er endgültig stillgelegt wurde, wird der Name „Hunsrückbahn“ aus Marketinggründen für die zwischen Boppard und Emmelshausen noch in Betrieb befindliche Zweigstrecke von Simmern nach Boppard benutzt. Für die ehemalige Hunsrückbahn wird seither der Name „Hunsrückquerbahn“ verwendet. In diesem Artikel soll der Name „Hunsrück(quer)bahn“ genutzt werden.
Die Hunsrück(quer)bahn führt zwischen Hermeskeil und Simmern durch viele interessante Orte im Hunsrück. Dies sind zum Beispiel Dhronecken, Thalfang, Deuselbach, Morbach und Büchenbeuren. Zwischen Hermeskeil und Dhronecken befindet sich nahe des ehemaligen Bahnhofs Hinzert-Pölert auch das ehemalige KZ Hinzert aus der Zeit des Dritten Reichs, indem vor allem politische Häftlinge inhaftiert waren, sodass keine industriellen Massenvernichtungen stattfanden. Dennoch wird es heute als museale Stätte für die Aufarbeitung und Erinnerung an die Verbrechen des Holocausts genutzt.

Imposant ist auch der Bahnhof Dhronecken, der aufgrund seiner Lage auch über eine wichtige Verladestation und einen Wasserturm zur Wasserversorgung der Dampfkessel der Dampfloks auf der Strecke. Während des Dritten Reichs wurden im Bahnhof auch V1- und V2-Raketen abgeladen und von hier weiter zur Abschussstelle am Erbeskopf gebracht. Heute wird der Bahnhof von den Nachfahren des letzten Bahnhofsvorstehers bewohnt. Sie betreiben in einem alten Schuppen des Bahnhofs das Ferienhaus Lampenhäuschen.

Unweit des Bahnhofs von Dhronecken befindet sich auch die Burg Dhronecken. Auf dieser Burg soll angeblich der in der Nibelungensage auftauchende Hagen von Tronje gelebt haben. Tatsächlich gehört die Burg zu den ältesten Burgen in Rheinland-Pfalz, denn einige Historiker und Archäologen vermuten, dass sie wesentlich älter ist als ihre erste urkundliche Erwähnung um das Jahr 1300.
Der nächste Ort an der Strecke ist Thalfang. Dieses ist vor allem für den Sitz der Hochwaldmilchgruppe bekannt, welcher zu den größten regionalen Milchhändlern in Südwestdeutschland zählt und auch eine Außenstelle in Kaiserslautern betreibt. Ich kann mich erinnern, als ich mal mit meinem Vater dort hingefahren bin, da wir zusammen die Milch des Bauern, für den er zeitweilig gearbeitet hat, dort abgeliefert haben. Wo früher der Bahnhof Thalfang war, ist heute nur noch ein Industriegebiet.

Hinter Thalfang passiert die Strecke schließlich nahe Deuselbach ihren Scheitelpunkt. Hier führt sie unweit des Erbeskopfes durch das kleine Dorf Deuselbach, welches zu den höchsten Gemeinden in Rheinland-Pfalz zählt und sicherlich dessen höchstgelegener Bahnhof ist. Früher spielte der Bahnhof eine wichtige Rolle für Ausflugstouristen zum Erbeskopf. Daran erinnert heute nur noch der kleine Bahnhofspavillon.

Zwischen Deuselbach und Morbach passiert die Bahnstrecke schließlich den Hoxeler Viadukt, der in Reiseführern auch „Hunsrückbahnviadukt“ oder im lokalen Dialekt auch „Ennisch Breck“ genannt wird. Diese Brücke gehört nicht zu den Wahrzeichen des Hunsrücks, sondern zumindest meiner Meinung nach auch zu den schönsten deutschen Eisenbahnbrücken. Der imposante Backsteinviadukt ist weithin sichtbar und kann als Meisterleistung der damaligen Ingenieurskunst gewertet werden. Heute führt eine Etappe des Saar-Hunsrück-Steigs, einem Premium-Wanderweg zwischen Perl und Boppard quer durch den Hunsrück unter der Brücke hindurch. Auf einer kleinen Wanderung entlang dieses Abschnitts entstand auch das Titelbild meines Blogs.
Der Hoxeler Viadukt ist 160 m lang und 42 m hoch und als beeindruckende Bogenbrücke mit acht Bogenöffnungen konzipiert. Der Viadukt entstand zwar 1903, musste aber nach 1945 aufgrund schwerer Kriegszerstörung aufwändig wieder aufgebaut werden. Obwohl die Brücke nach Hoxel benannt ist, liegt sie eigentlich im Morbacher Ortsbezirk Morscheid-Riedenburg. Dieser verfügt im Gegensatz zu Hoxel aber nicht über einen eigenen Haltepunkt an der Hunsrück(quer)bahn.

Nur wenige Kilometer nach dem Hoxeler Viadukt wird der Bahnhof Morbach erreicht. Von hier startete zwischen 2008 und 2014 ein Museumsbetrieb auf der Hunsrück(quer)bahn, wobei Schienenbusse zwischen Büchenbeuren und Morbach pendelte. Bei einer solchen Fahrt mit den „Saar-Hunsrück-Express“ genannten Zügen bin ich mal mitgefahren [Link].
Der Bahnhof Morbach wurde zeitgleich mit dem Bahnhof Hermeskeil errichtet. Sein Empfangsgebäude ist jedoch sehr viel palastartiger gestaltet. Dies ist für viele Bahnhofsgebäude entlang der Strecke typisch, weil damit der Stolz der Region über den Zugang zur Bahnstrecke demonstriert werden sollte.
Nahe des Morbacher Bahnhofs befindet sich auch ein Sägewerk. Unter anderem zur Anbindung dieses Sägewerks ist eine Reaktivierung der Bahnstrecke ab hier im Güterverkehr geplant. Ein Holztransport per Zug ist nämlich logistisch und nachhaltig leichter abwickelbar als per Zug.

In und um Morbach gibt es überdies viele kleine Highlights zu besichtigen. So befindet sich in Morbach nicht nur der Geburtshaus des bekannten Heimat-Regisseur Edgar Reitz, sondern auch ein Telefonmuseum. Zudem befindet sich in der Nähe auch die Ruine der historischen Wasserburg Baldenau aus dem 14. Jahrhundert. Zudem befindet sich am Haltepunkt Zolleiche auch der Archäologiepark Belginum, in dem eines der ältesten Römerlager der Region besichtigt werden kann.
Bei Morbach erreicht die Bahnstrecke zudem die Hunsrückhochfläche. Dabei handelt es sich um die größte Gebirgshochfläche eines deutschen Mittelgebirges. Hier oben ist die Windhöffigkeit sehr gut, sodass hier viele große Windparks errichtet wurden.
Auf dieser Hunsrückhochfläche befindet sich auch der Flughafen Hahn, welcher der einzige überregional genutzte reguläre Verkehrsflughafen in Rheinland-Pfalz ist. Interessanterweise befindet sich in unmittelbarer Nähe auch der geographische Mittelpunkt von Rheinland-Pfalz. Der Flughafen ist übrigens direkt über einen Bahnanschluss mit der Hunsrück(quer)bahn verbunden, denn als das Gelände noch militärisch genutzt wurde, fanden über eine Stichstrecke Güterfahrten von Büchenbeuren aus statt. Daher soll zumindest diese Verbindung zur besseren Anbindung dieses Flughafens wieder reaktiviert werden, sodass Züge von Frankfurt am Main oder Bingen am Rhein kommend über Langenlonsheim, Stromberg, Simmern, Kirchberg (Hunsrück) und Büchenbeuren zum Flughafen Hahn fahren. Leider scheitert eine Umsetzung immer wieder ein Bürgerprotesten und den finanziellen Mitteln.
Zwischen Büchenbeuren und Simmern wird auch der Bahnhof Kirchberg (Hunsrück) passiert. Dieser spielte in einer Folge der Heimatfilm-Reihe die Kulisse für den Bahnhof des fiktiven Ortes Schabbach.

Nun erreichen wir Simmern. Diese Kleinstadt ist vor allem durch den Räuberhauptmann Schinderhannes bekannt, da dieser hier sehr lange inhaftiert wird, woran noch heute der Schinderhannesturm erinnert. Ferner zeigt sie sich in einem sehr gut erhalten spätmittelalterlichen Gewand. Das Stadtbild hat sich seinen realistischen Charakter bewahrt und ist nicht kitschig und verspielt wie Rothenburg ob der Tauber oder andere krasse Touristenmagneten, die mittelalterliche Klischees bedienen.

Zudem liegt in unmittelbarer Nähe auch der Soonwald, welcher aus Sicht des Naturschutzes wertvoller ist als das Nationalparkgebiet im Hunsrück-Hochwald oder das Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen. Dennoch wird ein Großteil des wertvollen Eichen-Buchenwaldes für die Errichtung von Windkraftanalgen abgeholzt, da es bei der Umsetzung dieser Projekte häufig mehr Prestige geht weniger um Logik, Windhöffigkeit und Achtung von schützenswerten Naturräumen.
Der Bahnhof Simmern selbst war seinerzeit ein wichtiger Knotenbahnhof, denn hier teilte sich die Hunsrückbahn nicht nur in den Ast nach Boppard und den Ast nach Langenlonsheim, sondern hier zweigte auch die Tiefenbachbahn nach Gemünden im Hunsrück ab. Gemünden im Hunsrück ist übrigens für sein mondänes Schloss bekannt. Pläne, die Tiefenbachbahn bis an die Nahe zu verlängern, wurden nie verwirklicht.
Ich finde es schade, dass die schöne Bahnstrecke nicht im Regelverkehr betrieben wird. Für die Hunsrückregion würde sich durch eine Reaktivierung ein enormer Wirtschaftsfaktor ergeben. Zudem könnten nachhaltig Touristen aus dem Rhein-Main-Gebiet in die Nationalparkregion zwischen Morbach und Hermeskeil gebracht werden. Auch wenn die Gleise südlich von Hermeskeil abgebaut wurden, würde ich dennoch eine Anbindung von Nonnweiler oder gar des Bostalsees entlang der ehemaligen Hochwaldbahn befürworten. Glücklicherweise soll ab 2022 regelmäßiger Güterverkehr nach Morbach stattfinden, aber wir können bislang nur hoffen, dass daraus auch zeitnah ein guter Personenverkehr erwächst. Ich versuche weiterhin, auf jede für mich umsetzbare Art den Erhalt der Hunsrück(quer)bahn unterstützen.
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