Social Media in der Raumplanung
- Leif von Speyer
- 13. Mai 2019
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Jan. 2021
Ich habe Raumplanung studiert. Dabei wollte ich nie Raumplaner werden, obschon mittlerweile eine intensive Leidenschaft für den Beruf entwickelt habe. Komisch, oder? Das scheint aber nur komisch, wenn man die Hintergründe meiner Entscheidung versteht, die dazu geführt, dass ich dieses Fach gewählt habe, obwohl meine Leidenschaft immer das Filmen und Fotografieren wollte.
Als ich 2009 mein Abitur in den Händen hielt, stand ich vor der Wahl, entweder „irgendetwas mit Medien zu machen“ oder ein Fach zu studieren, mit dem ich sehr hohe Erfolgschancen habe. Ich entschied mich damals für die zweite Möglichkeit, weil ich mein Fachwissen in Geographie und Raumplanung erweitern wollte, um mein Kompetenzspektrum zu vergrößern. Damals nahm die Bedeutung der „neuen Medien“ gerade zu, und ich entdeckte früh darin ein Potential, das aber sehr schwer auszuschöpfen ist.
Also studierte ich Raumplanung. Wissen in Medientechnik, dachte ich mir, kann ich mir nebenbei autodidaktisch aneignen, was auch recht gut funktioniert hat. Im Laufe meines Studium fielen mir jedoch auf, dass alle mich eher negativ beäugten, wenn sie erfuhren, dass ich Videos mache oder aktiver Twitterer bin. Es schien so, als sei es ein Unding, die Menschen auf die banale, unkonventionelle, lockere Art der Social Media zu erreichen. Und wenn ich den Leuten versuchte zu erklären, dass man mit den Menschen in einem leichten Jargon ohne Fachtermini reden muss, damit sie verstehen, was man mitteilen möchte, wurde oft behauptet, dass dies der Komplexität der Raumplanung nicht mehr entsprechen würde. Ich bin da aber andere Meinung: Raumplanung findet vor allem im Volk statt, und wenn das nicht versteht, was hinter dem Projekt eines Raumplaners oder Stadtplaners steht, dann kann es nicht angemessen damit umgehen.

Obwohl Bürgerbeteiligung alias Partizipation im Bundesbaugesetzbuch in §3ff. festgeschrieben ist, wird sie oft nur unzureichend durchgeführt. Oft werden in den Printmedien wie Zeitungen und Amtsblättern Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung angeboten oder leicht übersehbare Aushänge aufgehängt. Mir persönlich entgehen trotz großen Interesses daran, mich überall politisch aktiv zu beteiligen, solche Bekanntmachungen oft, weil ich kaum noch Printmedien konsumiere, da ich große Zeitungen wie FAZ, SZ oder SPIEGEL ausschließlich online mitverfolge. Und ich habe viele Leute kennen gelernt, die das genauso handhaben.
Die Partizipation ist aber nicht nur unzureichend, weil die Mitteilungen oft untergehen, sondern auch, weil die Veranstaltungen selbst hin und wieder reine Informationsveranstaltungen sind. Zwar habe ich in Kaiserslautern zunehmen miterlebt, dass in Form von konkreten Workshops oder online verfügbaren Interaktiven Karten selbst Themen erarbeiten oder selbst einen Beitrag zur Verbesserung beitragen konnten, aber immer wieder erfahre ich von Projekten, bei denen anstatt einer direkten Beteiligungen nur eine Informationsveranstaltungen stattfindet. In meinem Studium habe ich darüber hinaus, die Erfahrung gemacht, dass Mediation und Moderation oft nicht funktionieren, weil nicht alle Parteien zu einer Schlichtung bereit sein, und nur aus Solidarität dabei mitmachen. So habe ich mal einer Mediationsveranstaltung beigewohnt, bei der ein Bürgermeister während der Mediation ständig telefoniert hat oder gelangweilt zugeschaut hat.
Ferner wird bis 2025 das soziale Leben krasser als jemals zuvor im Internet stattfinden. Durch die krasse Digitalisierung allein in den letzten zehn Jahren haben viele Menschen ihr komplettes Leben ins Internet transferiert. Das Internet hat sämtliche traditionelle Medien fast vollständig ersetzt, insbesondere bei den jüngeren Leuten, deren Weltanschauung und Interesse an künftigen Projekten essentiell ist. Daher ist es unabdingbar, möglichst schnell die sogenannten „Social Media“ in der Raumplanung zu nutzen, damit eine breite Masse der Bevölkerung für die großen Themen der Zukunft erreicht werden kann.
Um dies zu ermöglichen, muss unter den Raumplanern ein Sinneswandel stattfinden. Die Zunft der Raumplaner muss erkennen, dass prinzipiell jeder, der in diesem Bereich tätig ist, seine Meinung teilen sollte, um in direktem Kontakt mit den Betroffenen agieren zu können. Eine funktionierende Partizipation ist nur möglich, wenn Bürger zu jedem Zeitpunkt einer Planung, zumindest die Möglichkeit sich am Planungsprozess zu beteiligen. Zudem sollte in vielen Städten durch Schaffung weitreichender innerstädtischer WLAN-Netzwerke die Möglichkeit eingeräumt werden, zu allen Tageszeiten sich gegenüber bestimmten Planern zu technischen und planungsrelevanten Problemen jedweder Art innerhalb des Stadtgebiets äußern zu können. In vielen Städten ist eine solche Meldung von technischen und planungsrelevanten Themen bereits durchführbar, sei es in Form von Apps oder Meldediensten via Email, Twitter oder Facebook.
Raumplaner sollten noch viel stärker in den öffentlichen Focus rücken. Zwar sind die Politiker diejenigen, welche letztlich entscheiden, was Raumplaner machen, aber Raumplaner sind diejenigen, die oft unter politischem Druck Planungen umsetzen müssen. Dabei kennen sie sich oftmals mit dem Problemen einzelner Stadtteile oder Straßenzüge nur oberflächlich ist. Obwohl Raumplaner in der Regel eine gute Ortserkenntnis ihres Planungsgegenstandes haben sollten, kennen sie sich oft nicht so detailreich mit den Besonderheiten aus wie die ortsnahe Bevölkerung. Wenn Raumplaner mit ihren Ideen, Zielen und Plänen stärker über Social Media mit Betroffenen interagieren würden, könnte unmittelbarer auf verschiedene Sachverhalte reagiert werden. Außerdem würde sich der Vorteil ergeben, dass Bürger und Planer nicht mehr extra zu irgendwelchen Treffpunkten kommen müssen, sondern online kommunizieren können, wodurch auch mobil eingeschränkte Menschen oder solchem mit einem strikten Zeitplan sich partizipieren können.
Wenn es der Zunft der Raumplaner nicht in den nächsten sieben Jahren gelingt, die Massen des Internets für Raumplanung zu interessieren und via Social Media zu beteiligen, könnte dies fatale Folgen für die Zukunft haben. Es könnten nämlich zwei Lager entstehen, die sich gegenseitig bekriegen, aber keine Kompromisse finden; Ansätze einer solchen Lagerbildung sind schon jetzt zu beobachten. Daher plädiere ich hiermit an alle Raumplaner: Geht ins Internet und startet den Dialog mit den Menschen, die auf dem traditionellen Weg nicht mehr erreichbar sind. Ich habe in diesem Umfeld eigentlich bisher hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht.
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