Oppenheim
- Leif von Speyer
- 13. Mai 2021
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Mai 2021
Es gibt viele schöne Kleinode in Rheinhessen und Pfalz, vielleicht sogar in ganz Deutschland, die mehr zu bieten haben als man erwartet. So bin ich neulich zufällig durch ein Vorstellungsgespräch auf das kleine Städtchen Oppenheim gestoßen. Hier fühlt man sich nicht nur ins Mittelalter zurückversetzt, sondern auch in die Toskana.

In Oppenheim zählt zu den wenigen Städten in Deutschland, deren mittelalterliche Stadtmauer noch sehr gut erhalten. Die mittelalterliche Stadtmauer wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert errichtet. Von der einst turmreichen Stadtmauer mit ihren sechs Stadttoren sind nur noch einzelne Türme und das Gautor sowie Teile des Stadtgrabens erhalten. Das Gautor stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Der markanteste Turm der ehemaligen Stadtmauer ist der sogenannte Uhrturm. Dieser entstand im 13. Jahrhundert und wurde nach schwerer Zerstörung im 1843/44 wiederaufgebaut. Dadurch ist sein heutiges Erscheinungsbild durch neogotische Elemente geprägt. Ursprünglich diente der Uhrturm als Zollturm, da sich in unmittelbarer Nähe auch ein Arm des Rheines befand.
Ein weiterer Turm ist der Rupprechtsturm oberhalb der Stadt, der 1903 auf den Grundmauern des historischen Schneiderturms der Stadtmauer als Aussichtsturm errichtet wurde.

Sehr dominierend ist ebenfalls der Vierungsturm der Evangelischen Katharinenkirche. Es handelt sich hierbei übrigens um eine der bedeutendsten gotischen Kirchen zwischen Straßburg und Köln. Der Grundriss der Kirche geht bis aufs 13. Jahrhundert zurück. Seinerzeit wurde auf Bestreben des Mainzer Erzbischofs die Trennlinie zwischen dem Mainzer Erzbistum und dem Bistum Worms mitten durch die damals junge Stadt gezogen, sodass 1258 die Kirche geweiht wurde.
Der Ausbau zur gotischen Kirche soll 1262 in Anwesenheit des Königs Richard von Cornwall begonnen worden sein; Baubetrieb ist jedoch erst 1291 offiziell urkundlich erstmals erwähnt. Es ist sind architektonisch sowohl Einflüsse des Freiburger als auch des Straßburger Münsters erkennbar. Im 16. Jahrhundert wurde die Kirche reformiert.

Im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 wurde die Kirche durch französische Truppen zerstört. Die arme Stadtbevölkerung von Oppenheim war jedoch nicht in der Lage, einen Wiederaufbau zu finanzieren, sodass lediglich der Hauptturm eine barocke Haube erhielt. Die Kirche in der Folge fast 200 Jahre lang als Ruine am Stadtrand.
Erst 1873 wurde ein Bauverein gegründet, welche die Restauration vorbereitete, sodass die Kirche 1889 wieder im historischen Glas erstrahlte. Bei einer erneuten Restauration 1959 erhielt eine der Skulpturen die Gesichtszüge des damaligen ersten deutschen Präsidenten Theodor Heuss.

Bekannt ist die Katharinenkirche auch für seine beeindruckenden Fenster, zu denen auch die Oppenheimer Rose gehört. Die Oppenheimer Rose ist wein Fenster, deren Glas noch aus dem 14. Jahrhundert weitgehend original erhalten ist In der Kirche befindet sich eine Orgel aus dem Gründungsjahr des Deutschen Reiches, also 1871 von Eberhard Friedrich Walcker, welche 2004 bis 2006 von Gerald Woehl aus Marburg restauriert wurde.

Von der in einem Hanggarten gelegenen Kirche kann man bergab ihr katholische Pendant, die Pfarrkirche St. Bartholomäus sehen. Wie in der Pfalz sind auch in Rheinhessen viele Städte gleichermaßen katholisch und protestantisch geprägt.
Die Kirche entstand als Klosterkirche des abgegangenen Franziskanerklosters. Sie ist eine sogenannte Bettelsordenskirche, die sich durch ihre Schlichtheit und Einfachheit auszeichnet und damit typisch für Kirchen im Umkreis von Franziskaner- und Dominikanerorden ist. Ab der Reformation war die Kirche zunächst Teil der ihm aufgelösten Kloster errichteten Lateinschule, bis sie nach Erweiterungen im Zuge von Zerstörungen im späten 17. Jahrhundert zum Gebetsort für Katholiken wurde. Der Chor ist der Zeit der Minoriten ist bis heute erhalten.

In der Nähe der Bartholomäuskirche befindet sich auch das Oppenheimer Rathaus. Das Rathaus befindet sich unmittelbar am Marktplatz und fällt durch seine gotisierenden Treppengiebel auf. In seiner heutigen Form stammt das ursprünglich spätmittelalterliche Gebäude aus der Zeit nach einem schweren Stadtbrand im Jahr 1719. Wie unter vielen Gebäuden in der Altstadt befindet sich auch unter dem Rathaus eine weit verzweigte Kelleranlage.
Nahe des Rathauses steht auch das Geburtshaus von Paul Wallot, dem Architekten des Berliner Reichstags. Das Haus ist wie viele Gebäude rundum den Marktplatz ein Fachwerkhaus. Ähnliche Häuser findet man im gesamten Stadtbild. Meist handelt es sich um Weingüter oder Herrschaftshäuser. Auf die Oppenheimer Patrizierfamilien gehen noch heute viele bedeutende jüdischstämmige Adelsfamilie zurück. Zudem stammen auch die Vorfahren von Robert Oppenheimer, dem Erfinder der Atombombe aus dieser Linie.
Beim Flanieren fühlt man sich schnell in diese historischen Zeit festsetzt. Dies wird insbesondere durch die teilweise in Frakturschrift gestalteten Straßenschilder und engen Gässchen verstärkt. Außerdem schildern auch liebevoll gestalte Infotafeln über die Geschichte der vielen historischen Gebäude in der Altstadt.

Hoch über der Stadt liegt Burg Landskron. An ihrer Stelle befand sich bereits im 12. Jahrhundert eine salische oder staufischer Burg, welche vermutlich von Heinrich V errichtet wurde, aber durch Truppen des Mainzer Erzbischofs Adalbert zerstört wurde.
Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete Rudolf von Habsburg hier 1244 eine neue Burg, welche jedoch bereits 1257 und 1275 in einem Streit zwischen den Burgmannen und der Bevölkerung Oppenheims schwer beschädigt wurde. Rudolf von Habsburg zwang seinerzeit aber die Bevölkerung die Burg wiederaufzubauen.
1275 pfändete er sie an Rupprecht von der Pfalz, der die Burg ausbauen ließ. Unter Kurfürst Friedrich V wurde Burg im frühen 17. Jahrhundert schlossartig ausgebaut, jedoch nur wenige Jahrzehnte später im Dreißigjährigen Krieg zerstört. 1689 wurde der nahezu unversehrte Bergfried im Pfälzischen Erbfolgekrieg von französischen Truppen gesprengt.
Anschließend wurde die Ruine als Steinbruch missbraucht, bis die Stadt 1875 sie unter Denkmalschutz stellte und den alten Bergfried zur Aussichtsplattform umbaute. Anfang der 1990er Jahren fanden auf der Burg ausgiebige archäologische Untersuchungen statt. Ein Interesse an einem Wiederaufbau besteht jedoch bis heute nicht. Allerdings wird sie seitens der Stadt Oppenheim als Freilichtbühne genutzt. Von der Burg hat man einen sehr guten Ausblick über Oppenheim und die Rheinebene bis hin zum Schwarzwald.

In Oppenheim wird man aber nicht nur in vergangene Epochen festsetzt, sondern auch nach Burgund oder in die Toskana. Das liegt sicher daran, dass sich rundum Oppenheimer das größte deutsche Weinbaugebiet befindet, das wie die Pfalz durch Kulturdenkmäler aus der Römerzeit bis in die Gegenwart geprägt ist.
Daher befindet sich in Oppenheim auch das Deutsche Weinbaumuseum, das verschiedene Informationen über die Geschichte des Weinbaus sowie die dabei eingesetzten Instrumente und Maschinen bereithält.
Oppenheim und Rheinhessen sind also für so einige Überraschungen offen. Eine Reise in das Kleinod lohnt sich also immer wieder – und es ist ganz um die Ecke!
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