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Die vier Schlösser von Dirmstein

Im Norden der Pfalz liegt ein kleines Städtchen, das gleich vier Schlösser zu bieten: Dirmstein. Die Herren dieser Schlösser spielten zum Teil sogar eine wichtige Rolle in der deutschen und europäischen Geschichte. Obzwar von den Ruhm der kleinstädtischen Gemeinde nur noch wenig übrig ist, hat Dirmstein dennoch wenig an Charme aus seinen Glanzzeiten verloren.

Blick auf Dirmstein in einer Malerei von Louis Colbitz (1814 bis 1863)

Mitten zwischen den Pfälzer Weinbergen liegt das Kleinod Dirmstein. Der Ort liegt im äußersten Nordwesten der Rheinpfalz und grenzt nördlich sogar an Rheinhessen; unweit befindet sich zudem der geographisch nördlichste Punkt des Pfälzerwaldes. In dem knapp 3000 Einwohner zählenden Dorf, das im 18. Jahrhundert mutmaßlich für zwei Jahrzehnte sogar Stadtrechte besaß, gibt es insgesamt 58 Kulturdenkmäler, wovon sich die meisten im Oberdorf befinden.


Dirmstein wurde erstmals im 9. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Die wechselhafte Geschichte des Ortes beginnt aber erst im 12. Jahrhundert, als dem Wormser Bischof Konrad von Sternberg die Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit übertragen wurde. Für die Verwaltung bediente sich der Wormser Bischof einigen Familien des niederen Adels, darunter die Familien Lerch und Sturmfeder von Oppenweiler.


Dadurch entwickelte sich ab dem 15. Jahrhundert durch Heirat Dirmstein zum Kondominium, in dem Wormser Bischöfe gemeinsam mit den Kurpfälzer Kurfürsten und ihren Stellvertretern in Dirmstein herrschten. Zudem hatte Dirmstein im Vergleich zu vielen anderen Städten und Gemeinden in Deutschland wenig unter den Bauernkriegen oder dem Dreißigjährigen Krieg zu leiden; schwere Zerstörungen gab es nur im Pfälzischen Erbfolgekrieg, weshalb viele Gebäude im Ortskern in der Zeit des Barock und Klassizismus entstanden sind.

Sieht heute aus wie ein Bauernhof: ehem. Bischöfliches Schloss in Dirmstein

An die Zeit der Wormser Bischöfe in Dirmstein erinnert vor allem das Bischöfliche Palais, von dem heute vor allem der Gutshof, einer der Ecktürme erhalten geblieben ist und das Amtshaus der Kellerei erhalten geblieben ist. Besonders im Frühmittelalter diente die Anlage als Sommerresidenz der Bischöfe von Worms.

Die Grundsteinlegung war um 1414. Das Schloss war hauptsächlich Sitz der Amtskellerei Dirmstein. Kellereien waren im Mittelalter wichtige Amtsbezirke innerhalb vieler Bistümer und Fürstentümer zur Verwaltung der Geld- und Naturalabgaben. Es handelt sich um eine der wichtigsten Verwaltungsapparate des Feudalsystems.

Nahaufnahme des Diebsturmes

Das Bischöfliche Palais war einst ein Wasserschloss, dessen Graben durch den Eckbach gespeist wurde. Zudem gab es neben dem noch erhalten Diebsturm, der – wie der Namen verrät – teilweise als Gefängnis genutzt wurde, noch drei weitere Türme, die vermutlich baugleich ausgeführt wurden. Zumindest der Diebsturm trug bis ins 18. Jahrhundert hinein statt dem Zeltdach eine Kuppelhaube. Ferner kann man den Stumpf des Treppenturmes noch erkennen.

Weite Teile des Schlosses sind heute nicht mehr erhalten, da das Schloss bereits ab dem 16. Jahrhundert nur noch als Hofgut diente und hier keine Bischöfe mehr residierten. Seine endgültige Bedeutung verlor das Schloss um 1800, als das Bistum Worms aufgelöst wurde. Zudem fielen einige Gebäudeteile 1885 einem Brand zum Opfer. 1803 fiel das Schloss schließlich in Privatbesitz; da es deswegen heute umfriedet und nicht frei zugänglich ist, kann man das Gebäude jedoch nur von außen besichtigen.





Sturmfedersches Schloss in Ortsmitte

Wesentlich beeindruckender als das Bischöfliche Palais präsentiert sich das Sturmfedersches Schloss, das heute Sitz des Rathauses von Dirmstein ist. Es handelt sich um ein schlossartiges Herrenhaus aus der Barockzeit. Das Gebäude weist zwei Vollgeschosse und ein Mansardgeschoss auf und ist mit einem Krüppelwalmdach gedeckt.Auffällig ist auch die schmale Sandsteintreppe vorm Haupteingang. An der Treppe befinden sich zudem zwei Springbrunnen mit runden Schalen.


Innenhof war früher der zentrale Schlossplatz von Dirmstein, der heute als Markt- und Festplatz, teilweise auch auch Parkplatz genutzt wird. Seinerzeit war der Platz daher vollständig umfriedet, und es gab hier wesentlich mehr Gebäude, vor allem Funktionsgebäude der Schlossanlage. Vor der Umfriedungsmauer ist heute noch das Michelstor erhalten.

Neidkopf

Am Michelstor befindet sich auch der sogenannte Neidkopf, welcher die Fratze des wegen seines Neides und seiner Missgunst regional sehr unbeliebten Marsilius Franz Sturmfeder von Oppenweiler darstellen soll. Dieser hatte das Schloss von der Familie Lerch geerbt und wirkte wesentlich bei dessen Erweiterung mit.


Nach der Enteigung der Familie Oppenweiler im 19. Jahrhundert wechselte das Schloss mehrfach seinen Besitz und ist heute in Gemeindebesitz. Neben der erwähnten Nutzung als Rathaus dient das ehemalige Schloss auch als Musikschule; zudem kann die Wohnung im Dachgeschoss gemietet werden.

Der Erbauer des Trippstadter Schlosses war mit der Tochter des Erbauers des Sturmfederschen Schlosses verheiratet.

Marsilius Franz Sturmfeder von Oppenweiler wirkte über die Grenzen von Dirmstein hinaus. So besaß auch viele Gebäude in anderen Teilen der historischen Kurpfälzer. Auch seine Nachfahren waren bekannte Persönlichkeiten. So heiratete seine Tochter Amöna Marie Charlotte Juliane den kurpfälzischen Obristjägermeister Karl Joseph von Hacke, der das Trippstadter Schloss (Link) erbauen ließ; sein Enkel war Carl Theodor sagte zudem die Folgen der Französischen Revolution für die linksrheinischen Gebiete der Kurpfälzer sehr treffend voraus; ferner war seine Urenkelin Louise von Sturmfeder die Erzieherin von Franz Joseph von Österreich und seinem Bruder Maximilian von Mexiko.

Wandscheidsches Schloss mit Schlossgarten

Ein weiteres schlossartiges Herrenhaus ist das klassizistische Koeth-Wandscheidsche Schloss. Das Gebäude wurde im 18. Jahrhundert wahrscheinlich durch den baden-durlachischen Hofrat Wolfgang Wilhelm von Rießmann errichtet. Ende des 18. Jahrhunderts ging das Schlosseigentum schließlich an den kurpfälzischen Offizier August Heinrich von Kinckel über. Um der Enteignung 1803 zu entgehen, veräußerte er jedoch bereits 1796 das Anwesen an seinen Bruder Heinrich August von Kinckel, der als niederländische Diplomat Immunität genoss.

Heinrich August von Kinckel verkaufte die Anlage jedoch 1803 an Joseph Camuzi und dessen Sohn. Zu deren Lebzeiten wurde das Schloss erheblich erweitert. Nach der Abtragung der Stadtmauer entstand im 19. Jahrhundert schließlich auch der als Englischer Garten angelegte Schlosspark, in dem sich vier hundertjährige denkmalgeschütze Ahornbäume befinden. Aufgrund einer engen Freundschaft zum Maler Louis Coblitz hausierte dieser regelmäßig im Schloss und fertigte einzigartige Gemälde von Dirmstein an.


Im 20. Jahrhundert fiel das Gebäude zunächst in Gemeindebesitz und wird seit Beginn des 21. Jahrhundert als Klinik genutzt, an dessen Betreiber es seinerzeit veräußert wurde. Dazu wurde der erhaltene Hauptbau kernsaniert und entsprechend umgewidmet. Die historischen Remisen und Wirtschaftsgebäude wurden bereits Anfang des 19. Jahrhunderts abgetragen.

Quandtsches Schloss (Quelle: Immanuel Giel, Panoramio/Wikipedia)

Vollkommen unscheinbar ist das vierte Schloss von Dirmstein. Dem roten Quadtschen Schloss sieht man seinen schlossartigen Charakter heute kaum noch an. Es handelt sich um ein Herrenhaus, das auf dem Gelände der früheren Propstei des ansässigen Augustinerordens entstand und ab dem 14. Jahrhundert errichtet wurde.


An der Gestaltung der rezenten Form des Schlosses war vor allem die namensgebende Familie Quadt beteiligt, die das im frühen 18. Jahrhundert nach schwerer Zerstörung erwarb. Nach der Säkularisierung durch die Franzosen 1803 fiel es in den Besitz der Familie Janson, welche übrigens seinerzeit auch das Sturmfedersche Schloss erwarb. Heute gehört das Schloss einer bekannten Dirmsteiner Winzerfamilie, die es als Hofgut betreibt.

Die Laurentiuskirche dominiert Dirmstein.

Ein weiteres Wahrzeichen ist die barocke Laurentiuskirche aus dem 18. Jahrhundert. Diese ist im Gegensatz zu den Schlössern sogar ortsbildprägend und weithin sichtbar. Die Kirche ist eine Simultankirche für Katholiken und Protestanten. Obzwar das Kirchenschiff in der Zeit des Barock entstand, hat der Kirchturm noch einen frühgotischen Unterbau, was an eine wesentlich ältere Vorgängerkirche erinnert. Namenspatron ist Laurentius von Rom, welcher im 3. Jahrhundert unter Papst Sixtus II Diakon war.

Federführend bei der Planung waren der Trierer Erzbischof Franz Georg von Schönborn, welcher zeitweilig ebenfalls Fürstbischof von Worms war, und sein der renommierte Baumeister Balthasar Neumann, der im Dienste seines Bruders Friedrich Karl von Schönborn stand, der in Würzburg und Bamberg residierte. Interessanterweise fand die symbolische Grundsteilegung erst nach Vollendung der Kirche statt; dieser Grundstein wurde erst 1928 zufällig wieder entdeckt, wobei ebenfalls zwei Trierer Silbermünzen von 1734, eine österreichische Silbermünze von 1745 und zwei wertvoll bemalte Weinflaschen gefunden wurden. Dass die Kirche von Anfang an auch einen reformierten Teil besaß, ist Hofrat von Rießmann zu verdanken, der – wie oben erwähnt – Erbauer eines der vier Dirmsteiner Schlösser war.


Aus Platzgründen konnte keine exakte Ostung der Kirche stattfinden. Zudem ist die Straße zwischen Laurentiuskirche und Magdalenenkapelle hier sehr eng. Für frühere Fahrzeuge stellt dies kein Problem dar, jedoch ist sie noch heute für Busse und viele große Autos ein Nadelöhr, da eine gegenseitige Begegnung unmöglich ist.


Im Umfeld der Kirche befinden sich zudem viele weitere historische Bauwerke wie das Alte Rathaus, die Überreste des Magdalenenlosters mit dem zugehörigen Spitalhof, sowie eine Vielzahl an Fachwerkhäusern, darunter das Backhaus. Ferner liegt Dirmstein am Eckbach-Mühlenwanderweg, der sämtliche historische Mühlen der Region miteinander verbindet.Darüber hinaus befindet sich in Dirmstein ein noch erhaltenes Bahnhofsgebäude der stillgelegten und abgebauten als „Bembel“ bezeichneten straßenbahnartig geführten Lokalbahn von Frankenthal nach Großkarlbach.


Ein kleiner Ausflug nach Dirmstein lohnt sich also immer, denn man fühlt sich schnell in die Epoche des Ruhms jener Kleinstadt versetzt.


Weiterführende Links:

* Mein Video über das Bischöfliche Schloss

* Mein Video über das Sturmfedersche Schloss












 
 
 

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