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Dampflok – Fluch oder Segen?

Aktualisiert: 10. Feb. 2021

In den 1970er Jahren endete mit dem Slogan „Die Bahn gewöhnt sich das Rauchen ab!“ die Ära der Dampflokomotive, kurz liebevoll Dampflok genannt. Dabei hatte dieses geniale Verkehrsmittel den Siegeszug der Eisenbahn und den rasanten industriellen Aufschwang im 19. Jahrhundert erst möglich gemacht. Sukzessive wurde die Dampflok aber ab 1975 im Regelverkehr durch Diesellokomotiven (Dieselloks) ersetzt, da zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenige deutsche Bahnstrecken elektrifiziert haben. Daran hat sich bis heute wenig geändert: Es gibt immer noch ein Dutzend Hauptbahnen ohne Oberleitung und diverse Nebenbahnen, auf denen Dieselloks eingesetzt werden müssen. Und bekanntlich sind auch diese nicht emissionsfrei. Daher stellt sich die Frage: Ist die Dampflok wirklich umweltschädlicher als ihr mit Diesel betriebenes Pendant?

Die Dampflok funktioniert mit simpler Mechanik.

Das Grundprinzip der Dampflok ist einfach erklärt: Durch die Verbrennung eines Brennmaterial – meistens Kohle – wird Wasser erhitzt, welches das Fahrwerk der Dampflok antreibt. Das ist simple Mechanik. Man braucht zudem weder Strom noch externe Energie, denn das Brennmaterial der Dampflok trägt diese (in einem Anhänger) stets mit sich. Tatsächlich muss das Brennmaterial nicht zwingend Kohle sein, denn besonders in Russland wurden auch Dampfloks gebaut, die Holz oder Torf statt Kohle nutzten. Zudem wurde in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs und auch noch in der Nachkriegszeit mit Dampfloks experimentiert, die Erdöl tankten. Darüber hinaus wäre sogar denkbar, dass das Wasser im Dampfkessel durch die Verbrennung von Abfall, Rapsöl oder Biogas erhitzt würde. Und hier haben wir schon den ersten Vorteil der Dampflok: Im Dampfkessel kann alles verbrannt, denn für die Fortbewegung ist nur entscheidend, dass das Wasser warm genug wird, damit die Mechanik in Gang gesetzt wird.


Allerdings ist trotz der schier kinderleichten Technik ein erheblicher bahnbetriebstechnischer Aufwand nötig. Die Strecken müssen beispielsweise entsprechend weitläufig freigeschnitten werden, um Waldbrände zu vermeiden. Außerdem werden große Lokschuppen, Bekohlungsanlagen und Wassertürme in einem ausreichenden Abstand benötigt. Auf andere Seiten kann dennoch das Brennmaterial regional angepasst werden, was eben eine dezentrale, lokal angepasste Versorgung ermöglicht.

So sah es früher oft auf Bahnhöfen aus: Verraucht und schwarzwolkig.

Tatsächlich emittieren Dampfloks Abgase, denn durch die Verbrennung der Kohle tritt eben nicht nur Wasser aus den Schornsteinen, sondern auch Kohlenstoffdioxid. Dieses ist nach aktueller Lehrmeinung ein ausschlaggebender Verursacher der anthropogen beschleunigten Klimaerwärmung. Zudem entsteht besonders beim Starten ein rußiger, beißender Geruch, der von vielen Menschen als unangenehm empfunden wird. Derselbe Geruch und dasselbe Kohlenstoffdioxid entsteht aber auch in der Diesellok.

Während bei der Diesellok die Emissionen aber gleich bleiben und sich nur schwer reduzieren lassen, hängt die Menge und Intensität des Qualms bei einer Dampflok vom Können des Heizers ab. Je nach Verteilung der Kohle und Zeitabstand zwischen dem Nachlegen wird mehr oder weniger Rauch emittiert. Zudem spielen die Wetterbedingungen eine ausschlaggebende Rolle, wobei insbesondere nasskaltes Wetter sich negativ auf die Emissionsmenge auswirkt. Darüber hinaus ist auch eine regelmäßige Wartung sehr wichtig, denn wie beim Schornstein im trauten Heim müssen auch die Rohre der Lok wiederkehrend gepflegt und gereinigt werden. Im Gegensatz zur Diesellok wird aber bei guter Reinigung kein Feinstaub produziert. Die Dampfloks auf dem Kuckucksbähnel bei Neustadt an der Weinstraße sind daher sauberer als die ebenfalls im Hauptbahnhof haltenden Dieselloks auf der Maximiliansbahn in Richtung Karlsruhe.

Diesel-Triebwagen im verschneiten Kaiserslautern Hbf.

Zweifelsohne lassen sich freilich auch in Dieselloks Katalysatoren und andere Filtersystem einsetzen. Allerdings sollte man bedenken, dass die meisten aktuell verkehrenden Dieselloks auf Erdöl angewiesen sind. Obzwar zumindest in der Pfalz auch dieses regional vorhanden ist, muss hier der Kraftstoff exportiert werden und kann nicht durch Abfall, Rapsöl oder Biogas ersetzt werden. Dennoch ist es freilich denkbar, auch Dieselloks auf andere Kraftstoffe umzurüsten. In der Tat ist diese Technik jedoch sehr viel fehleranfälliger und produziert Unmengen an Feinstaub. Insbesondere die Feinstaubmengen können kaum reduziert werden, da aufgrund der Wirkungsweise des Verbrennungsmotors häufig sehr viel Feinstaub entsteht.

Die horrenden Emissionen von Kreuzfahrtschiffen werden oft unterschätzt. (Quelle: Pixabay)

Übrigens haben Kreuzfahrtschiffe eine noch schlechtere Bilanz als Dampflok oder Diesellok. Viele Kreuzfahrtschiffe verfügen nämlich laut Angaben des NABU über keine Abgasreinigung und haben keine Rußpartikelfilter. Während man bei Dampfloks, die noch eingesetzt werden, oder vor allem bei Dieselloks zunehmend versucht, durch Filteranlagen die Menge des Kohlestaubs und sonstiger Emissionen zu reduzieren, wird dies von vielen Reedereien kaum gemacht. Ein von einer Dampflok gezogener Güter- oder Personenzug ist also besser für Umwelt und Gesund als ein Kreuzfahrtschiff.


Dampflok-Sonderzug in Trier Hbf

Aber zurück zur Dampflok: Einem Schweizer Team von Wissenschaftlern ist es gelungen, die Effizienz von Dampfloks zu steigern. Sie entwickelten eine 10 cm dicke Isolierschicht im Dampfkessel sowie um die Dampfleitungen und Zylinder. Dadurch bleibt wie bei einer Thermosflasche mehr Wärme in Kessel, wodurch der Wirkungsgrad um 40 Prozent ansteigt. Man braucht also weniger Energie als bei herkömmlichen Dampfloks. Zudem entfällt der stete Anfeuerungsvorgang an jedem Bahnhof, da bei kurzem Halten die Lok nicht direkt abkühlt. Bei dieser neuen Technik wird zudem der Heizer nicht mehr zwingend benötigt, sodass die Personalkosten nur wenig höher sind als bei anderen Loks. Wenn man mit dieser Technik in Serie gehen würde ein großes Problem der Dampflok gegenüber andere Verkehrsmitteln aufgelöst werden.


Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, wie man die Dampflok energieeffizient und nachhaltig betreiben kann. Daher sollten allenfalls Wasserstoffzüge oder Elektrozüge die einzige Alternative für die Dampflok sein.

Wasserstoffzug zur Vorstellung in Ludwigshafen - wann fährt er in der Pfalz?

Es ist nämlich utopisch, zu glauben, dass zeitnah alle Bahnstrecke elektrifiziert sein werden – zumal dies oft aus topographischen und geologischen Gründen nicht immer perfekt umsetzbar ist –, ist es unabdingbar, sich Gedanken darüber zu machen, wie man schadstoffarm auf diesen Strecken Zugverkehr anbieten kann. Hier könnte neben dem Wasserstoffzug eben auch die Dampflok eine Schlüsselrolle spielen. Zwar emittieren auch nachgerüstete und unbebaute Dampfloks noch einen geringen Anteil an Kohlenstoffdioxid, aber dieser ist je nach genutztem Material erheblich geringer als bei der Diesellok.


Nur der Wasserstoffzug produziert trotz fehlender Oberleitung gar keine Emissionen. Jedoch ist er aufgrund lokaler Gegebenheiten nicht überall wirklich effizienter als die Dampflok. Bei der Effizienz spielt nämlich nur die Schadstoffmenge eine Rolle, sondern auch die Möglichkeit zur Bereitstellung der Brennmaterialien. Während die Dampflok quasi jedes Brennmaterial nutzen kann, ist der Wasserstoffzug auf das Vorhandensein von Wasserstoff angewiesen, da er diesen für die Elektrolyse von Wasser braucht.

Ein großer Vorteil der Dampflok gegenüber vielen elektrischen Fahrzeugen ist jedoch ihre weite Sichtbarkeit und Hörbarkeit. Dadurch könnte es seltener zu Unfällen kommen, da die Dampflok als präsenter wahrgenommen wird. Zudem ergibt sich eine höhere Präsenz des Verkehrsmittels Zug.

Dampflok in Landau (Pfalz) während des Plandampf-Events 2014.

Gegen die Dampflok wird häufig auch das Argument vorgebracht, sie sei nicht mehr in der Lage die heute sehr engen Takte zu bewältigen. Experimente im Rahmen von Plandampf-Fahrten haben in den letzten Jahren aber gezeigt, dass Dampfloks einen ähnlich guten Takt haben wie andere Züge auch. Verspätungen im Bahnverkehr werden nämlich normalerweise nicht durch die Lok verursacht, sondern durch technische Störungen entlang der Strecke oder in den Stellwerken.


Am Ende ist es jedoch eine subjektive Entscheidung, ob man sich für die Dampflok entscheidet oder nicht. Zwar könnte es ähnlich wie bei der Windkraft auch bei der Dampflok ein Comeback geben, da gute Argumente dafür sprechen, aber wahrscheinlich wird es nicht möglich sein, Dampfloks zu erschaffen, die keinerlei Emissionen produzieren. Dies wirkt sich freilich bei vielen Leuten erheblich auf die Akzeptanz des Verkehrsmittel aus.

Auf der Brockenbahn sind fahrplanmäßig nur Dampfloks unterwegs. (Quelle: Pixabay)

Andererseits genießt die Dampflok dennoch auch bei jungen Leute eine zunehmende Popularität. Hierbei ist aber zu beachten, dass von ihr ein gewisser Nostalgieeffekt ausgeht. Da die Dampflok nämlich außer bei einigen wenigen Verkehrsbetrieben wie den Harzer Schmalspurbahnen oder einigen Museumsbahnen wie dem Kuckucksbähnel im deutschsprachigen Raum kaum noch im regulären Einsatz verkehrt, ist es etwas Besonderes damit fahren zu dürfen. Zudem erinnert es vor allem junge Leute an vergangene Zeit, die sie selbst nicht mehr miterlebt haben. Wenn Dampfloks wieder regulär führen, würde dieser Effekt möglicherweise verloren gehen.

An dieser Stelle sollte bedacht werden, dass außerhalb von Mitteleuropa die Dampflok bis heute auf Nebenbahnen, teilweise auch oft auf Hauptbahnen eingesetzt werden. Dabei spielen vor allem die in diesem Artikel genannten Vorteile eine Rolle. Ferner erscheint es vor allem in ärmeren Ländern und Regionen, wo zum Teil noch die alte Infrastruktur vorhanden ist, sinnvoll, diese auch zu nutzen. Alte Technik zu restaurieren oder zu modernisieren ist nämlich nachhaltiger und günstiger als sie durch neue Technik unmittelbar zu ersetzen.


Obwohl ich selbst ein absoluter Dampflokfan bin, habe ich trotz dieser Abwägung für mich kein abschließendes Urteil fällen können. Daher würde ich mich über eure Meinung zum Thema freuen. Schreibt sie doch gerne als Kommentar zu diesem Artikel oder als Kommentar zu meinem Video.

Weiterführende Links:


* Dampflok bei Wikipedia

* Eisenbahnmuseum Neustadt: Dampflok - Umwelt und Emissionen


 
 
 

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